Wer eine private Krankenversicherung abschließen will, kann das seit einigen Jahren auch bei einem ausländischen Anbieter tun, in Fachkreisen EWR-Dienstleister genannt. Diese werden seit einiger Zeit sehr intensiv im Internet beworben. Aber Vorsicht: die Tarife haben oft Leistungslücken, die daran zweifeln lassen, ob es sich überhaupt um einen vollwertigen Krankenversicherungs-Schutz handelt.
Auf der Suche nach einer privaten Krankenversicherung haben die Bundesbürger seit mehreren Jahren auch die Möglichkeit, sich bei einem sogenannten EWR-Dienstleister zu versichern. Damit sind ausländische Krankenversicherer gemeint, die ihren Sitz entweder in einem EU-Land oder dem europäischen Wirtschaftsraum haben. „EWR“ ist hierbei die Abkürzung für „Europäischer Wirtschaftsraum“. Immer öfter findet man entsprechende Angebote im Internet, oft mit dem Versprechen auf niedrige Beiträge.
Oft keine vollwertige Krankenvollversicherung
Wer den Wechsel zu einem solchen Anbieter in Betracht zieht, sollte jedoch vorsichtig sein. Denn in der Regel bieten EWR-Dienstleister keinen vollwertigen Krankenversicherungs-Schutz im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes an (§ 193 Abs. 3). Laut dem Gesetz ist jeder Bürger mit Wohnsitz in Deutschland verpflichtet sich krankenversichern zu lassen – und zwar derart, dass ein Mindestschutz für Behandlungen besteht.
Ob die ausländischen Krankenversicherer diese Anforderungen erfüllen können, ist zumindest umstritten. Oft sind bestimmte ambulante und stationäre Heilbehandlungen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen oder die Leistung hierfür auf eine vergleichsweise geringe Höchstbeträge pro Jahr begrenzt. Und zwar derart, dass Versicherte im Leistungsfall auf Krankheitskosten sitzen bleiben.
Ein weiteres Problem: Auch Altersrückstellungen sehen EWR-Tarife in der Regel nicht vor. Diese Rücklagen werden normalerweise in der privaten Krankenversicherung angespart, um den Kunden vor allzu hohen Teuerungen im Alter zu schützen. Denn rein statistisch erzeugen Senioren auch höhere Gesundheitskosten. Der Gesetzgeber schreibt die Bildung solcher Beitragspuffer explizit vor, damit die Versicherten nicht finanziell überlastet werden.
Problem Numero Drei betrifft die Situation, dass Kunden in Zahlungsverzug geraten. Ein deutscher Krankenversicherer dürfte der betroffenen Person nicht einfach kündigen, sondern muss nach einer Frist den Wechsel in den sogenannten Notlagentarif ermöglichen. In diesem Tarif ist zumindest die Akut- und Schmerzversorgung sowie die Behandlung chronischer Krankheiten gesichert – auch wenn der Versicherte mit Beiträgen im Rückstand ist. EWR-Dienstleister aber formulieren in ihren Vertragsbedingungen oft Klauseln, wonach sie Verbraucher bei Zahlungsverzug vor die Tür setzen können.
Teils Aggressive Werbung mit EWR-Tarifen
In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass speziell einige Online-Vermittler recht offensiv mit EWR-Tarifen werben: zum Beispiel um Kunden, die aktuell keinen Versicherungsschutz genießen. Als Lockmittel dienen oft die günstigen Prämien. Hier profitieren die Anbieter davon, dass sie eben keinen Altersrückstellungen bilden müssen. Verbraucherorganisationen wie der Bund der Versicherten (BdV) gehen gegen diese Werbung mitunter juristisch vor und verlangen eine Unterlassungserklärung, wenn nicht klar ersichtlich ist, dass die Tarife keinen Kranken-Vollschutz bieten. Auch die Finanzaufsichtsbehörde BaFin hat im Juli 2015 vor Leistungslücken bei diesen Angeboten gewarnt.
Eine private Krankenversicherung sollten Interessierte hingegen nur nach intensiver Beschäftigung und vorheriger Information abschließen. Schließlich soll der Schutz im Idealfall ein ganzes Leben lang eine gute Gesundheitsversorgung bereithalten, die vielleicht sogar über das Leistungsniveau einer Krankenkasse deutlich hinausgeht. Hier gilt es nicht nur, auf die Höhe der Prämie zu achten. Auch der Leistungskatalog eines Versicherers ist wichtig! Ein Versicherungsfachmann und auch der Hausarzt können dabei behilflich sein, einen guten und passenden Tarif zu finden.